Zwischen Behaglichkeit und Reibung
Im besten Fall lässt sich ihre Musik tief einatmen, sie könnte auch wie eine warme Kuscheldecke sein, erzählt Lilou. „Eine, die zwar nicht ins Gleichgewicht zaubern kann, aber Halt und etwas Vertrautes gibt.“
Aufmerksame Beobachterin von Schwebezuständen
Die Stimme der 28-jährigen klingt jugendhaft und vermittelt gleichzeitig Lebenserfahrung. „Mir wurde oft gesagt, dass ich wie eine alte Seele wirke.“ Lilou hat Komposition studiert, sie macht kantigen Indie-Pop, den sie selbst als „Bedroom-Pop“ bezeichnet – weil ihre Songideen und Teile der Aufnahmen im Schlafzimmer entstanden, umgeben von persischen Teppichen und einem schönen großen Baum vor dem Fenster, der das Tageslicht weichzeichnete. Sie liefert eingängige Melodien, minimalistisch instrumentiert, mit ver- fremdeten Samples.
Dabei entstehen kleine „Spielfilme“: Ihre lebendigen Erzählungen regen mit bildhafter Sprache die eigene Vorstellungskraft an, ohne die Musik zu überschatten – eine Seltenheit im deutschsprachigen Pop. Mal dient ein dichtes Geflecht aus Mond und Gezeiten als Metapher um eine Zweierbeziehung, in anderen Fällen übt sie Gesellschaftskritik.
„Feenhaftigkeit“ trifft meinungsstarke Macherin
Passend zur Musik offenbart sie selbst Kanten: In der „Volksstimme“ wurde sie als „Zauberwesen aus der Welt des Deutschpop“ beschrieben. Bei aller Verträumtheit, die in der Musik hörbar wird, steht dahinter eine starke Persönlichkeit, mit der Bereitschaft, anzuecken. Die in Köln lebende Musikerin ist Gründungs- und Vorstandsmitglied des gemeinnützigen Vereins „MusicNRWwomen“. „Der Verein engagiert sich für die Sichtbarmachung, Gleichberechtigung und Vernetzung von FLINTA* in der Musikbranche“, erklärt Lilou. Sie tritt als Co-Produzentin ihrer Musik auf, mit einer klaren Vision für das Ergebnis.
Emotional überlassen ihre Stücke die Wirkung dem Hörer, sie legen sich nicht fest zwischen fast herbstlicher Behaglichkeit und Reibung. Die Schwebezustände und die Möglichkeit, von Erfahrungen überrascht zu werden, schätzt sie. „Ich habe mal gelesen: ‚Keiner ist vom Mond so zurückgekommen, wie er von der Erde weggegangen ist.‘ Das ist auch eines der Dinge, die ich am Touren so mag – vieles kommt anders, als man es sich vorher ausgemalt hat.“ Aus dem Antrieb heraus entstehen ihre Geschichten.
Saskia Rienth und Nicolay Ketterer im Gespräch mit Lilou, im April 2022
Text: Nicolay Ketterer